Dasquian – Der Schwarze Drache

Dasquian – Der Schwarze Drache

Fantasy Liebesroman

Ein auserwählter Drache.
Eine menschliche Frau.
Eine unbesiegbare Kreatur, die sie besitzen will.

Shor Dasquian ist ein Mann, in dessen Brust ein furchtloses Drachenherz schlägt. Als er sich bereit macht, für die Frau zu kämpfen, die er nur aus seinen Träumen kennt, ahnt er nicht, welche Ereignisse er damit in Gang setzt. Denn sie ist die Eine, die Frau, die das Schicksal für ihn bestimmt hat, nur um sie dann doch wieder zu trennen.

Die Liebe zur Erdenfrau verändert ihn.

Aus dem mutigen Mann wird ein furchtloser.

Aus dem loyalen Drachenshifter wird ein unerbittlicher Liebender.

Aus dem starken Drachen wird ein unbesiegbares Wesen, das selbst die gefährlichsten Kreaturen seines Heimatplaneten das Fürchten lehrt. Selbst ein erzürnter Vater und rachsüchtige Göttinnen können sich nicht vorstellen, welche schwarze Kreatur sie in Dasquians Innerem geweckt haben und wie weit er bereit ist, für die Erdenfrau und ihre gemeinsame Zukunft zu gehen.

Begleiten Sie Dasquian auf seiner fantastischen Reise und erleben Sie rachsüchtige Göttinnen aus uralter Zeit, eine aus Feuer geborene, unbarmherzige Kreatur und eine Liebesgeschichte, die unvergesslich bleibt.

Einzelband. Kein Cliffhanger.
Länge: ca. 270 Seiten

Ab sofort erhältlich: Amazon


Amazon Bewerter

“Wieder mal meine Erwartungen übertroffen…”

“Einfach grandios!!”

“Wieder ein gelungenes Sprachfeuerwerk, das Einblick in eine neue Welt gibt.”

“Erstklassiges Buch, wie immer!”

“Besonders der Kampf zwischen Gut und Böse, den der Drache mit sich selbst austragen musste, war sehr spannend.”

“…eine Story, die einen in den Bann zieht…”

“…wieder mit der richtigen Dosis Sinnlicheit.”

“…es enthält alles Abenteuer, Spannung und eine ordentlich Portion Liebe…”

“ein spannendes Kopfkino”

“Die Geschichte enthält alles was ein gutes Buch ausmacht.”

“Es kam an keiner Stelle Langeweile auf.”

“Ich liebe ja Drachen und dieser hier ist echt heiß.”

“5 Sterne von mir!!!”

“Von der ersten Seite an war ich total gefesselt.”

“…sofort in der Geschichte gefangen.”

“Werde ich noch einmal lesen.”


Trivia zu Dasquian – Der Schwarze Drache:

Der Held meines neuen Buches hat so lange an meiner Seite gelebt, dass ich ohne zu lügen sagen kann, dass er bei mir eingezogen ist. Seit dem letzten Teil der Betania Breed-Reihe ist Dasquian immer bei mir. Ich wusste sofort, wie er aussieht und sogar, wonach er riecht (das dürft ihr selber herausfinden!). Deshalb hat er auch die Hauptrolle in einem besonderen Buch bekommen. Zum ersten Mal habe ich einen Roman geschrieben, der mehr Fantasy Lovestory als SciFi Romanze ist.

Einen winzigen Spoiler habe ich auch noch für euch: Der Adlershifter aus der Umfrage hat eine kleine, aber wichtige Rolle in diesem Buch bekommen. Der charmante, ein wenig raubeinige Geselle ist auf eure Anregung hin entstanden – dafür meinen lieben Dank!

-Jenny Foster


Leseprobe Dasquian – Der Schwarze Drache:

Prolog

Das Lachen der drei Schicksalsgöttinnen hallte von den Wänden wider. Der blauäugige, hochgewachsene Krieger, der vor dem Altar stand, ballte die Faust und stieß sie gegen die Felswand. Den Schmerz schien er nicht zu bemerken, wohl aber das Verstummen der drei Schwestern, die sich in provokanter Pose vor ihm auf dem kalten Stein rekelten. Der Lichtschein der Fackeln tauchte alles in das grünliche Licht, das so typisch für die Energie aus Mikroorganismen war. Er vermisste die Sonne auf seiner Haut, die Wärme, die sie spendete, und ihren warmen Glanz. Seine Aufmerksamkeit wurde zurück auf die Frauen vor ihm gelenkt, als die Älteste, Atropos, ihn anlächelte. Etwas in ihrem Gesichtsausdruck ließ den Widerspruch auf seiner Zunge ersterben. Vorerst zumindest. Es war, dachte er, entweder ein sehr gutes Zeichen oder ein sehr schlechtes, je nachdem, wohin die Laune die Göttin tragen würde.

»Du willst dich deinem Schicksal widersetzen, Drachenkrieger?« Träge streichelten ihre langen Finger das Haar der jüngsten Schwester. Die mittlere richtete sich mit katzengleicher Anmut auf, seufzte und sprang mit einem Satz von dem steinernen Tisch. Sie landete lautlos vor ihm und obwohl Kreatos sich nach all den Jahren, in denen er den Schwestern diente, an ihre übermenschlichen Fähigkeiten gewöhnt haben sollte, war ihm ihre Nähe unangenehm.

»Ich bitte euch um Gnade«, sagte er leise und bemühte sich, zuversichtlich zu klingen. Die Götter liebten nicht die Zaudernden, sondern schenkten ihre Gunst den Mutigen, die dem Schicksal unerschrocken ins Gesicht lachten. »Nicht für mich, sondern für meine Frau und meinen Erstgeborenen. Verschont sie, ich flehe euch an.«

In Atropos’ hellen Augen erstarb der Funken Interesse, der Kreatos für einen Augenblick mit wilder Hoffnung erfüllt hatte. Unsanft schob sie den Kopf der Schwester von ihrem mageren Schenkel und stand ebenfalls auf. Anders als Lachesis, die mittlere Schwester, bewegte sie sich stets bedächtig. Kreatos fand das noch unheimlicher als die abrupten Bewegungen von Lachesis, aber am wenigsten konnte er sein Unbehagen in Gegenwart der Jüngsten im Zaum halten. Klotho hatte die Augen einer Blinden, reinweiß, manchmal ins Bläuliche spielend, und doch schien sie genau zu wissen, was um sie herum geschah. In seiner Verzweiflung wandte sich der Drachenkrieger nun an Lachesis, die begonnen hatte, um ihn herum zu tänzeln. Hätte er es nicht besser gewusst, dann hätte er angenommen, sie wolle ihn streicheln. Die Vorstellung ihrer schmalgliedrigen Hände mit den schmutzigen Fingernägeln auf seiner Haut war kein Gedanke, bei dem er verweilen wollte. »Ich habe euch all die Jahre treu gedient«, hob er an. »Ich habe in euren Diensten spioniert, gefoltert und gemordet. Ich bin zu fernen Planeten gereist und habe sie Eurem Willen unterworfen. Ich verlange …«

Diesmal war es Klotho, die antwortete. Ihre Stimme klang rau und sie sprach stockend, als wäre sie nicht mehr vertraut mit dem Gebrauch ihrer Zunge. »Du verlangst etwas von uns?«, unterbrach sie ihn und Kreatos fühlte, wie sich die Haare an seinem Körper aufrichteten. »Du vergisst dich, Mensch«, schnarrte sie. »Wir sind Göttinnen und du wagst es, etwas zu fordern?«

Stolz richtete sich Kreatos auf. Er reckte das Kinn und dachte an seine Frau, die er sterbend zurückgelassen hatte; an seinen Sohn, der die Brust seiner Mutter verweigerte. Er hatte nur eine Möglichkeit, sie zu retten. Er musste das Herz der grausamen Göttinnen erweichen. Oder gab es noch eine weitere Möglichkeit? Mittlerweile schmiegte sich Atropos an ihn und Lachesis streichelte seine blanke Brust. Ihre kühlen Finger tasteten seine Muskeln auf eine Art und Weise ab, die ihm immer weniger gefiel, doch er wagte nicht, sich ihrer Berührung zu entziehen.

»Du solltest nicht so streng mit ihm sein«, gurrte Lachesis nun. Ihr helles Haar fiel ihr in zwei prächtigen Zöpfen über die spitzen Brüste, deren Bewegungen unter dem dünnen Gewand deutlich sichtbar waren. Kreatos schluckte. Seine Frau und sein Sohn lagen im Sterben und er sann über die Brüste einer Göttin nach! »Er hat nicht unrecht mit dem, was er sagt. Erinnert ihr euch an das Geschick, mit dem er Sokrates aus dem Weg geräumt hat. Der alte Narr war überzeugt davon, das Gift freiwillig zu trinken.«

»Das stimmt, er ist einer unserer besten Krieger«, pflichtete Atropos ihrer Schwester bei. Kreatos’ Herz begann wild zu pochen. Sollte das Glück ihm hold sein?

»Hört doch endlich auf mit dem Gerede«, mischte sich nun Klotho ein. »Wie üblich vergesst ihr, dass Reden uns nicht weiter bringt.« Er hatte gar nicht bemerkt, dass sie ebenfalls aufgestanden war und nun direkt neben ihm stand. Sie war die Kleinste von allen und so zierlich, dass er sie mit einem Schlag hätte töten können, wäre sie keine Göttin. Sie legte ihm die Hand auf den Arm und er konnte gerade noch einen Laut des Erstaunens unterdrücken. Anders als die Hände ihrer Schwestern waren ihre Finger warm, ja beinahe heiß. Er drehte den Kopf, nur ein kleines bisschen, und sah sie an. Aus der Nähe betrachtet wirkte sie keineswegs so furchteinflößend, wie Kreatos angenommen hatte, sah man von ihrem milchig-trüben Blick ab. Ihre Haut war hell, als wäre sie lange Zeit nicht mit dem Sonnenlicht in Berührung gekommen, aber sie war ja auch eine Tochter von Nyx, der Nacht. Niemand wusste, wer der Vater der Schwestern war, ob es ein Gott war oder ein Mensch wie er. Klothos Haar hatte die Farbe von Wein, nur … vielfältiger. Manche Strähnen leuchteten in der hellen Glut der Abendsonne, andere wiederum schienen dunkel wie Blut zu sein. Ein leichter Druck auf seinem Arm lenkte ihn von diesen finsteren Vergleichen ab. Er senkte den Blick auf ihre feingliedrigen Finger, die auf seiner gebräunten, behaarten Männerhaut wie gebleichte Knochen wirkten. Nein, wie Marmor, dachte er und spürte, wie er sich unter ihrer Berührung entspannte.

Sie zog seinen Kopf herab und näherte ihren Mund seinem Ohr. Klothos süßer Atem streifte die Haut seines Halses und er fühlte, wie das Blut in seine Lenden schoss. »Wie viel bist du bereit, uns im Austausch für das Leben deiner Frau zu geben?«, wisperte sie. »Ich spinne den Schicksalsfaden deiner Frau und deines Sohnes, Lachesis bemisst ihn und Atropos schneidet ihn. Ich kann meine Schwestern vielleicht überreden, es noch ein wenig hinauszuzögern.«

Wie in einem Traum taten sich die Möglichkeiten vor ihm auf. Er würde sehen, wie sein Fleisch und Blut heranwuchs, wie sein Sohn zum Mann wurde. Er würde seine Frau noch einmal in den Armen halten und ihr sagen können, wie sehr er sie liebte. Kreatos wollte auf die Knie fallen, um seiner Dankbarkeit Ausdruck zu geben, aber der feste Griff der jüngsten Schwester hinderte ihn daran. Stattdessen streichelte sie ihm das lange schwarze Haar aus dem verschwitzten Gesicht und zog ihn an ihren warmen Körper. Das Blut rauschte in seine Ohren und am Rande seines Bewusstseins hörte er die anderen beiden Schicksalsgöttinnen zischen. Es war ihm gleichgültig. Alles was zählte, war die Göttin, die ihre Hüften mit sanftem, aber stetigen Druck an ihn presste. Er war so hart, dass er Angst hatte, sich auf seinen Chiton zu ergießen, wenn sie sich noch einmal bewegte.

Sie senkte die Lider, bis von dem Weiß ihrer Augen nichts als ein schmaler Spalt zu sehen war. »Schenk mir einen Sohn und wir werden das Leben deiner Frau und deines Sohnes verschonen«, flüsterte sie. Fasziniert beobachtete Kreatos ihre kleine, rosafarbene Zungenspitze. Sein zum Bersten praller Schwanz zuckte verlangend, als sich Klotho die Lippen leckte. Erst als die Worte der Göttin in sein Bewusstsein sickerten, erinnerte er sich, warum er eigentlich in die Höhlen hinabgestiegen war. »Ich tue alles, was du willst«, flüsterte er und fragte sich, warum sie ausgerechnet ihn als Vater ihres Kindes erwählt hatte statt eines Gottes. Sicher war jeder, gleich, ob Gott oder Mensch, begierig darauf, sie in seinen Armen zu halten.

Jetzt trat sie einen Schritt zurück und sah ihn unter den halb geschlossenen Lidern an. Er wusste, dass sie ihn nicht sehen konnte, nicht so, wie ein anderer Mensch ihn mit den Augen wahrgenommen hätte, aber gleichzeitig ahnte Kreatos, dass Klotho viel mehr sah, als er sich vorzustellen wagte. »Wenn ich dir einen Sohn schenken soll, musst du mehr als ein Mensch sein. Bist du dazu bereit, mein Drachenkrieger?«

Er nickte stumm und ohne nachzudenken.

Klotho lächelte und wie zur Antwort darauf begann sein Rücken zu prickeln. Nein, es juckte zwischen seinen Schulterblättern und etwas … bewegte sich unter der Haut, stach und kniff und zwickte und wollte hinaus. Kreatos griff mit seinem Schwertarm nach hinten, versuchte die Stelle zu erreichen und sog erschrocken die Luft ein. Was war das? Die Haut auf seinem Arm wurde schuppig und dunkel. Er fiel auf die Knie und diesmal hielt Klotho ihn nicht davon ab. Kreatos öffnete den Mund, um zu schreien oder die Göttin um Hilfe zu bitten, er wusste es nicht.

Und dann war er kein Mensch mehr, sondern etwas anderes. Ein Teil seines Verstandes war noch immer da, aber er steckte in einem riesigen Tierkörper fest. Er wandte seinen von den Veränderungen schmerzenden Kopf der Schicksalsgöttin zu und sah, wie sie zufrieden die Lippen verzog.

»Jetzt bist du wirklich und wahrhaftig mein Drachenkrieger. Der erste seiner Art.« Sie schnippte mit den Fingern, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Kreatos – wenn das noch sein Name war – hatte begonnen, sich in der Höhle umzuschauen. Die Fackeln an den Wänden, für die er vor wenigen Minuten noch dankbar gewesen war, flackerten in tausend verschiedenen Tönen von Rot über Orange bis Gelb. Und die Gerüche! Sie drohten, ihn zu überwältigen. Er roch die Algen, die Energie erzeugten, indem sie sich vermehrten, und sogar hier tief unter der Erde meinte Kreatos, die versengte Vegetation auf der Erdoberfläche wahrzunehmen. Er sog die Luft ein und fühlte, wie sich die fremdartigen Nüstern blähten. Es war erschreckend, wie viele Informationen ihm ein schlichtes Einatmen vermittelte. Klotho, die direkt vor ihm stand, legte die flache Hand auf seine schuppige Brust und sah ihm in die Augen. »Mein wunderbarer Drachenkrieger, mein wildes Biest«, flüsterte sie. Kreatos senkte den Kopf auf ihre Schulter und atmete den Duft ihrer Haut ein. Sie war bereit, sie war fruchtbar und sie wollte ihn. Er spürte, wie sich seine Schuppen aufrichteten, wie um ihn noch größer und stärker erscheinen zu lassen, und schüttelte sich. Klotho schnippte mit den Fingern, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

»Ich will, dass du dich zurückwandelst«, befahl sie ihm und bevor er protestieren konnte, merkte er, wie seine Knochen sich verschoben, die Schuppen in seinem Körper verschwanden und er wieder er selbst war. Nein, das stimmte nicht, dachte er und legte den Kopf schief. Er spürte die Macht der Verwandlung in sich, wie einen wärmenden Feuerball oder wie eine Sonne, die ihn mit ihrer Macht erfüllte. Er wusste, er sollte sich wundern über das Ausmaß von Klothos Macht oder sich wehren dagegen, dass sie aus ihm ein Wesen gemacht hatte, das halb Mensch, halb Biest war. In Wahrheit jedoch fühlte sich Kreatos so gut wie schon lange nicht mehr, beinahe schon unbesiegbar.

Und dann erkannte er, woher dieses Hochgefühl kam. Er dachte an seine Frau und seinen Sohn und fühlte nichts als eine vage Verwunderung darüber, dass er noch vor wenigen Sekunden etwas wie Liebe für diese beiden Menschen empfunden hatte. Alles, was jetzt sein Herz und seinen Körper erfüllte, waren Lust und Begehren. Er wollte Klotho und es war ihm vollkommen gleichgültig, ob ihre beiden Schwestern ihm dabei zusahen, wie er sie nahm. Vielleicht würde er, war seine Lust auf die Jüngste erst einmal gestillt, auch die beiden anderen beglücken. Jetzt aber … er trat auf Klotho zu. Dem alten Kreatos wäre seine Nacktheit nach der Rückwandlung unangenehm gewesen, nicht jedoch dem Drachenmann, der er jetzt war. Er streckte den Arm aus, fasste die Göttin am Arm und drängte sie an die raue Wand der Höhle. Kreatos umfasste ihren Hintern mit beiden Händen, hob sie hoch und drang in einer fließenden Bewegung in sie ein. Sie war feucht und warm und eng und so dauerte es nicht lange, bis er seinen Samen in sie ergoss.

Er zog sich abrupt aus ihr zurück und drehte sich um. Atropos und Lachesis starrten ihn mit schreckgeweiteten Augen an, als er auf sie zutrat und nach der mittleren Schwester griff. Er war schon wieder bereit, sich fortzupflanzen. In seinem Inneren erwachte die brennende Kraftquelle zum Leben, formte sich zu einer schuppenbewehrten Gestalt und flüsterte ihm aufpeitschende Obszönitäten zu.

»Was habt ihr getan?«, zischte Atropos und hob die Hand.

Kreatos kümmerte es nicht. Doch dann beging er den Fehler, Atropos in die Augen zu schauen. Das Wesen in ihm fauchte, als es sah, wie die Göttin die Augen verdrehte, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Sein Glied schrumpfte und er fühlte sich keineswegs mehr unbesiegbar. Jede Spur von Wärme floh aus seinem Körper, als Atropos zu sprechen anhob. Die mittlere Schwester gesellte sich an ihre Seite. Auch ihr Gesicht war zu einer Grimasse des Abscheus erstarrt.

»Ich verfluche dich, Kreatos. Ich verfluche dich, meine Schwester Klotho, und den Sohn, den ihr gerade gezeugt habt. Ihr habt etwas geschaffen, das gegen die Gesetze der Götter verstößt. Du wirst eine Abnormität gebären, Schwester, die halb Mensch, halb Tier ist.«

Kreatos fühlte, wie das Tier in ihm sich fauchend und grollend zurückzog. Die Worte der ältesten Schwester klangen bedeutungsschwer und eine Welle aus Furcht und Zorn ließ ihn erzittern. Klotho stand mit starrem Blick neben ihm. Lachesis fiel ein und in einem monotonen Singsang verkündeten sie sein Schicksal. »Deine Nachkommen sollen ohne die Liebe einer Frau leben, fern von der Erde, bis ihr Volk stirbt. Und auch du, Schwester, bist verflucht, ihn zu lieben, wenn seine Knochen längst zu Staub geworden sind und du ihn in jedem Drachenmann suchst und niemals finden wirst.«

Er sank auf die Knie.

Kapitel 1

Jora Rhodes stand vor dem Gebäude, in dem das Verbindungsbüro untergebracht war. Heute war ihre letzte Chance, ihre Unterschrift unter den Vertrag zu setzen, der ihrem Vater ein sorgenfreies Leben schenken würde – und mehr als das. Er bekäme, wenn Jora sich erst verpflichtet hatte, überhaupt erst eine Zukunft, die über sein 50. Lebensjahr hinausreichte.

Sie sah an dem grauen, stahlverkleideten Klotz hinauf und fragte sich zum hundertsten Mal, wer ihr eine Garantie dafür gab, dass es ihrem Vater auch wirklich gut ging, sobald sie selbst nicht mehr auf der Erde weilte. Ihre Mutter war vor drei Monaten abberufen worden und Jora erinnerte sich noch genau an den herzzerreißenden Schmerz im Gesicht ihres Vaters und an ihre gemeinsame Hilflosigkeit. Sie ballte die Fäuste und versuchte, genügend Mut zu finden, um das drohend vor ihr aufragende Gebäude endlich zu betreten. Ihrer Mutter hatte sie nicht helfen können, aber sie konnte etwas dafür tun, dass sie nicht noch einmal zusehen musste, wie ein Elternteil einem gnädigen Tod zugeführt wurde, nur weil er keinen Nutzen mehr für die Gesellschaft hatte. Jora musste nichts anderes tun, als sich ein Herz fassen, hineingehen, den Vertrag unterzeichnen und den Dingen ihren Lauf lassen. Möglichst noch heute, denn Morgen stand Papas fünfzigster Geburtstag an und damit die Abberufung aus dem Leben.

Nun, es half nichts. Diese und alle anderen Fragen konnte ihr vielleicht der Sachbearbeiter beantworten, mit dem sie in … sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und erschrak. Ihr Termin war in genau zwei Minuten! Jora hatte wieder einmal zu lange nachgedacht oder vor sich hin geträumt, wie ihre Mutter sagen würde. Ihre Füße verfielen von selbst in einen raschen Trab, der fast schon einem Galopp ähnelte. Die Plätze auf dem Schiff nach Cors waren begehrt und Jora blieb keine Zeit zum Zögern. Jetzt oder nie! Die Tür glitt mit einem leisen Surren zur Seite. Rasch hielt sie das rechte Handgelenk mit ihrem Code vor den Scanner am Transportsystem und betete, dass nicht ausgerechnet heute ein Systemausfall das Gebäude und die Büros lahmlegte. Nach wenigen Sekunden, die Jora wie Stunden vorkamen, gab der Scanner die Sperre frei und sie trat in die gläserne Kabine, die sie direkt zum zuständigen Sachbearbeiter transportieren würde. Das bekannte Schwindelgefühl, das mit der physischen Überführung einherging, war heute besonders stark, wahrscheinlich weil sie so aufgeregt war. Das Armband, mit dem ihre Körperfunktionen überwacht wurden, hatte heute Morgen beim Aufwachen einen zu hohen Blutdruck und einen viel zu schnellen Herzschlag gemeldet. Also hatte Jora auch noch einen Abstecher in die medizinische Abteilung ihres Wohnblocks machen müssen, bevor sie endlich zu ihrem Termin aufbrach. Merkwürdigerweise fühlte sie sich trotz der verabreichten Medikamente kein bisschen ruhiger.

Sie trat aus dem Transporter und wäre beinahe wieder zurückgesprungen, als ihre Füße den weichen Boden betraten. Der gesamte Gang war mit feinstem dunkelrotem Teppich ausgelegt, von dem ein Quadratmeter wahrscheinlich mehr kostete, als sie in einem Monat verdiente. Hatte man erst einmal ein paar Schritte gemacht, war es wunderschön, fast als würde man auf Wolken gehen. Aber Jora war nicht hier, um die Weichheit des Bodenbelags zu genießen. Sie hob den Blick und suchte nach der Tür, hinter der man sie erwartete. Auf einem normalen Amt wäre sie jetzt von einem der Beamten empfangen worden, aber hier schien alles anders zu sein. An den Wänden hingen goldgerahmte Porträts von Männern in stolzer Haltung. Doch da es nur eine Tür gab, trat sie darauf zu und suchte vergebens nach einem Scanner, der ihr Eintreten autorisiert hätte. Alles, was sie sah, war ein Drachengesicht aus Metall, das einen Ring im Maul trug und sich etwa eine Handbreit über ihrem Kopf befand. Ihr wurde kalt. Dieses Ding hatte sie schon einmal gesehen, und zwar in ihrem Traum. Dort war es ungleich größer, aber die lang gezogene Schnauze, die spitzen Zähne, die aus dem aufgerissenen Maul ragten und die bösartig funkelnden Rubinaugen hätte sie überall wiedererkannt. Sie zögerte. Wenn sie in der Nacht vor dem Tor stand, bewegte sich der Ring wie von einer unsichtbaren Kraft drei Mal gegen die Tür, die sich daraufhin wie von Geisterhand öffnete. Ob die kleine Ausgabe ebenfalls dazu geschaffen war, um Eintritt zu erbitten? Jora war nur die Scanner gewohnt, sie wusste nicht, ob sie vielleicht ein ungeschriebenes Gesetz bracht, wenn sie den Drachen berührte. Egal, wenn sie nicht bald in diesem Büro war, dann nahmen die Dinge ihren Lauf und alles Ringen um eine Entscheidung war vergebens gewesen. Jora hob die Hand und ließ den Ring drei Mal gegen die Tür fallen. Sie neigte den Kopf und lauschte. Anders als im Traum schwang die Tür nicht wie von Geisterhand auf. Was sollte sie tun? Sprach da jemand?

Das dumpfe Murmeln von der anderen Seite war bestimmt eine Aufforderung. Sie fasste sich ein Herz und trat ein. Beinahe hätte sie erleichtert aufgelacht, denn im Gegensatz zu dem protzig zur Schau gestellten Wohlstand auf dem Flur sah es in dem Büro so aus, wie man es von Behörden kannte – und vor allem war es nicht das dornige Labyrinth, das sie aus ihren Träumen kannte. Ein extrem aufgeräumter Schreibtisch mit einem PC, daneben eine Tasse, deren undefinierbarer grüner Inhalt dampfte. Der Mann hinter dem Schreibtisch war ebenfalls keine Überraschung. Es war ein müde und abgekämpft wirkender Mann, dessen stattliche Größe Jora selbst in der sitzenden Position deutlich ins Auge fiel. Er trug eine Brille und am liebsten hätte Jora ihn gefragt, warum er in seiner Position keine medizinische Augenkorrektur bekam. Alle Behandlungen, die mit dem Job zusammenhingen, mussten nicht aus eigener Tasche bezahlt werden. Als Lehrerin für die Kleinsten war sie selbst in der beneidenswerten Position, dass ihr körperlicher Zustand jederzeit überwacht wurde. Kinder waren trotz der in den letzten Jahren explodierenden Geburtenrate ein kostbares Gut und die Regierung ging keinerlei Risiken ein, was das Wohlbefinden der kleinen Menschen anging. Leider setzten die Kinder, die das Licht der Welt erblickten, gleichzeitig die erlaubte Lebensspanne der anderen herab. Je mehr Kinder es gab, die nachrücken und ihre Pflicht am Staat erfüllen konnten, desto weniger Lebenszeit wurde den Alten zugestanden.

Es hatte Jora nie gestört. Bis zu dem Tag, als ihr Vater abtransportiert worden war, hatte sie das System immer als gerecht empfunden.

Ein trockenes Husten lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück in die Gegenwart. »Jora Rhodes«, stellte der Mann fest und deutete nachlässig auf den Besucherstuhl. »Sie haben sich für die Teilnahme am Projekt Surrender entschieden?« Diesmal war es eine Frage. Plötzlich um Worte verlegen, konnte Jora nichts tun als nicken, aber mehr schien der Mann auch nicht zu erwarten. Sie wusste nicht einmal den Namen des Beamten, in dessen Händen nun ihr Schicksal lag. Er presste eine Taste auf dem Keyboard und sie sah ihr Passbild in seinen Brillengläsern. Es war das scheußliche, auf dem ihr Gesicht besonders rund und ihr dunkles Haar besonders strähnig erschienen.

»Wie ist ihr Name?«, unterbrach sie seine Lektüre. Sicher betrachtete er ihre Akte nicht zum ersten Mal, oder doch?

»Liaison Officer Raynor«, antwortete er und warf ihr über den Rand der Brille einen stechenden Blick zu. Jora runzelte irritiert die Stirn und glättete sie sofort wieder, um nicht sein Missfallen zu erregen. Es war mehr als wichtig, dass sie in das Programm aufgenommen wurde. Trotzdem blieb die Frage bestehen: Warum gab sich ein Angehöriger des Militärs als Beamter aus?

»Wie ich sehe, haben Sie sich im allerletzten Moment entschieden, an dem Projekt Surrender teilzunehmen.« Jora nickte und schwieg. Liaison Officer Raynor stellte das Offensichtliche fest und dazu gab es von ihrer Seite aus nichts zu sagen. Sie hatte das unbehagliche Gefühl, dass er lediglich laut nachdachte oder versuchte, sie unauffällig auf einen bestimmten Punkt ihrer Bewerbung hinzusteuern, der ihm nicht stimmig erschien. Vielleicht sollte sie schnell anfangen, ihre Fragen zu stellen, damit sie nicht doch noch abgelehnt wurde.

»Darf ich Sie etwas fragen, Liaison Officer Raynor?« Bewusst sprach Jora ihn mit seinem Titel an und schob ihre erste und wichtigste Frage gleich hinterher. »Was wird mit meinem Vater geschehen? Wer gibt mir eine Garantie dafür, dass er nicht doch abberufen wird, sobald ich auf dem Weg nach Cors bin?« Beinahe hätte sie statt abberufen die verbotene Vokabel exterminiert verwendet, aber Jora hatte sich gerade noch rechtzeitig daran erinnert, mit wem sie sprach. Er mochte aussehen wie ein vertrockneter mittelalter Bürokrat, aber er war ein Soldat – und die waren regierungstreu bis zum Tod.

»Dafür stehe ich mit meinem Ehrenwort«, antwortete er mit hochgezogenen Augenbrauen. Jora wusste, sie wandelte auf einem schmalen Grat, aber sie musste Gewissheit haben. Sie würde nicht ihr bisheriges Leben fortwerfen und sich als Zuchtstute für eine Rasse außerirdischer Drachenshifter zur Verfügung stellen, wenn ihr Vater nicht in Sicherheit war.

»Wäre es möglich, mir regelmäßig Nachrichten von ihm zukommen zu lassen? Ich weiß, Cors liegt am Rande unserer Galaxie, aber sicher besteht die Möglichkeit, auf einem Handelsschiff eine Audio- oder Videobotschaft mitzunehmen.« Jora hob trotzig das Kinn, aber zu ihrer Überraschung lächelte Raynor sie beruhigend an.

»Selbstverständlich ist das möglich. Die Frauen, die am Projekt teilnehmen, werden von unserer Regierung und von den Corsianischen Drachen hochgeschätzt. Wenn sie ihrer Pflicht erfolgreich nachkommen, besteht sogar die Möglichkeit, ihren Vater nachkommen zu lassen.«

»Wie definieren Sie erfolgreich?«, fragte Jora, bevor sie sich zügeln konnte.

Jetzt gerieten seine sorgsam komponierten Gesichtszüge doch etwas aus der Fassung. Sein Lächeln schien zu verrutschen, seine Augen weiteten sich für den Bruchteil einer Sekunde, bevor sich Raynor wieder im Griff hatte. »Nun, Sie müssen verstehen, die Corsianische Gesellschaft besteht fast ausschließlich aus Männern, die in einer archaischen Struktur leben, trotz ihrer fortgeschrittenen Technik und ihrer außerordentlichen Fähigkeiten.«

Super. Sie würde sich gleich dazu verpflichten, unter einem Haufen Barbaren zu leben, die sich in Drachen verwandeln konnten. Die Vorstellung, wie sie als Grundschullehrerin inmitten grunzender, hochgewachsener, haariger und schuppiger Drachenwandler von einem fremden Planeten lebte, kitzelte ein hysterisches Lachen in ihrer Brust wach. »Jedenfalls«, fuhr Raynor fort, »können Sie sicher sein, als Mutter eines zukünftigen Drachenkriegers eine hohe Wertschätzung zu erfahren. Selbst wenn sie ein Mädchen zur Welt bringen, wird man Ihnen Respekt entgegenbringen.«

Jora hatte geahnt, dass es schwierig werden würde, um es einmal vorsichtig auszudrücken, aber Raynors Worte vermittelten ihr eine Ahnung davon, wie man auf Cors mit Frauen umging. Sie holte tief Atem und ballte die Fäuste, aber so, dass der Mann vor ihr es nicht sah. Selbst ein Mädchen, ja? Nun, es half nichts, wenn sie jetzt die Worte herausließ, die ihr auf der Zunge lagen. Denk an deinen Vater, ermahnte sie sich. »Gut zu wissen«, erwiderte Jora also bewusst ausweichend. »Ich werde ihn also zu mir holen, wenn ich ein oder zwei Kinder zur Welt bringe. Und bis dahin werden Sie sich darum kümmern, dass er ein gutes Leben hat.«

»Selbstverständlich. Sobald Sie ihre Unterschrift unter das Dokument setzen, werde ich alles Notwendige veranlassen. In der Seniorenresidenz ist bereits ein Platz für Ihren Erzeuger reserviert.«

»War das nicht ein wenig voreilig?«, fragte Jora. »Sie wussten doch gar nicht, wie ich mich entscheide.«

»Sie, Miss Rhodes, sind die perfekte Kandidatin«, erwiderte er und setzte die Brille ab. Nun bemerkte sie erst, wie wach sein Blick war. Und diesen Mann hatte sie für müde und abgekämpft gehalten? Bestimmt war die Brille aus Fensterglas und er trug sie, um seinen Scharfsinn zu kaschieren. »Sie haben die medizinischen Tests bestanden«, begann er aufzuzählen. »Sie sind keine Jungfrau mehr.« Das Blut schoss Jora in die Wangen. Dieser Teil des Interviews war ihr extrem peinlich gewesen, aber sie hatte auch die Fragen nach ihren sexuellen Vorlieben und ihren Aktivitäten wahrheitsgemäß beantwortet. Nicht, dass es da viel zu erzählen gab. »Sie sind erfahren im Umgang mit Kindern. Und nicht zuletzt haben Sie die psychologischen Tests bestanden – fast.« Das letzte Wort bewirkte, dass ihr Puls schlagartig schneller wurde.

»Heißt das, Sie wollen mich doch nicht?« Das Luftschloss vom Weiterleben ihres Vaters brach vor Joras Augen in sich zusammen. Sie schloss die Augen, damit Raynor nicht die Tränen sah.

»Das habe ich nicht gesagt, Miss Rhodes. Ich würde nur gerne erfahren, wovon Sie jede Nacht träumen.«

Verdammt. Er hatte sie bei der einzigen Auslassung erwischt. Es gab nur eines, was sie dem Psychologen während ihres Interviews nicht anvertraut hatte und das war der Mann, der sie fast jede Nacht im Traum heimsuchte. Selbst jetzt, in diesem trübseligen Büro, sandte der Gedanke an ihn einen Schauer aus Lust und Angst durch ihren Körper.

»Versuchen Sie nicht, mich zu belügen«, warnte Raynor sie. Jeder Anschein von Nachsicht war aus seinem Gesicht verschwunden. »Mir liegen sämtliche Schlafprotokolle der letzten sechs Monate vor. Aus ihnen ist ersichtlich, dass Sie jede Nacht zur gleichen Zeit beginnen zu träumen. Ihr Herzschlag beschleunigt sich, ihre Gehirnwellen zeigen einen starken Anstieg an Aktivität. Kurz darauf zeigen die Sensoren, dass sie körperlich erschöpft sind und das dürfte eigentlich nicht sein. Nicht, wenn sie nur träumen. Also, entweder sagen Sie mir jetzt in allen Einzelheiten, was sie träumen oder wir canceln ihre Teilnahme am Projekt Surrender, trotz ihrer exzellenten Voraussetzungen.« Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf der Tischplatte. »Wenn es Sie erleichtert, dann versichere ich Ihnen, dass ich nicht persönlich an Ihren Träumen interessiert bin. Es ist nur eine Anomalie, die mir ins Auge gesprungen ist und ich muss sichergehen, dass ich bei der Auswahl keinen Fehler mache.« Raynor nahm ihre Unterlagen und schob den Stapel Papier zusammen, bis die Blätter ordentlich übereinander lagen. »Vielleicht nehmen Sie ja eine der neuen, nicht nachweisbaren Drogen, die für eine Stimulation während der Nacht sorgen?«

»Nein«, erklärte Jora und blickte auf ihre Hände hinab. Sie schüttelte den Kopf. »Ich nehme keine Drogen.« Sie durfte jetzt nicht scheitern und holte tief Luft. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich unterschreibe jetzt und gleich. Sie lassen meinen Vater in die Seniorenresidenz bringen, und zwar ebenfalls auf der Stelle. Und ich erzähle Ihnen alles, woran ich mich erinnere.« Was nicht viel war, aber genug, um sich dafür zu schämen. Jora war sich bewusst, dass sie hoch pokerte, aber seine Worte von der perfekten Kandidatin gaben ihr die nötige Zuversicht, um den Bluff zu probieren. Sie hatte nichts zu verlieren und alles zu gewinnen.

»Deal«, erwiderte Raynor so schnell, dass sie irritiert aufsah. Er griff nach seinem Intercom und tippte ein paar Befehle, die er mit seinem Daumenabdruck autorisierte. Er schob ihr das Pad mit dem Dokument herüber und Jora unterzeichnete ebenfalls mit ihrem Daumenabdruck.

Er lehnte sich entspannt zurück und forderte sie mit einem Nicken zum Sprechen auf. Jora senkte den Blick und sah auf ihre Hände. »Es ist wirklich nicht viel«, begann sie. »Ich laufe durch ein Labyrinth aus Hecken. Die Zweige haben Dornen, die mich stechen.« Stechen war eine harmlose Umschreibung für die Weise, wie sich die langen Stacheln in ihre Haut bohrten. Ihr Puls beschleunigte sich. »Alles, was ich weiß ist, dass ich weitergehen muss. Ich darf nicht anhalten oder etwas Schlimmes wird passieren.« Sie schwieg und hoffte insgeheim, dass Raynor genug gehört hatte.

»Weiter«, sagte er knapp. »Was ist dieses Schlimme, von dem Sie wissen, dass es geschehen wird?«

»Ich kann es nicht sehen, nur fühlen«, fuhr sie fort und spürte, wie der Traum nach ihr griff. Sie musste nur die Augen schließen und schon war sie wieder dort, rannte und keuchte und wehrte sich gegen die Büsche, die auf geheimnisvolle Weise zu leben schienen. »Ich habe Angst und kann nicht erkennen, wohin ich laufe.« Sie zögerte kurz und überlegte, was sie ihm als Ablenkung erzählen konnte, damit er nicht die ganze Wahrheit aus ihr herauspresste. Denn das, was sie im Inneren des Irrgartens erwartete, gehörte ihr allein. »Ich weiß auf eine schwer zu beschreibende Weise, dass ich nicht allein bin. Jemand oder etwas ist bei mir.«

»Diese … nennen wir es einmal Präsenz, greift also nicht ein, sondern beobachtet nur? Oder hilft sie Ihnen?« Raynor hatte die Augenbrauen zusammengezogen, sein Blick wirkte nachdenklich.

»Von Hilfe kann keine Rede sein«, stellte Jora klar. Das war nicht die reine Wahrheit. Diese stumme Präsenz vermittelte ihr den Eindruck, ihr zur Seite stehen zu können, aber nur dann, wenn sie eine Gegenleistung dafür bekam. Manchmal, wenn sie im Traum bis zur Erschöpfung gerannt war, glaubte sie, eine kleine, verhüllte Gestalt zu sehen, die auffordernd ihre Hand ausstreckte. Trotzdem hätte Jora sie einem anderen Menschen nicht beschreiben können, selbst wenn sie es gewollt hätte. Was sie viel mehr in Angst versetzte als dieses merkwürdige Geisterwesen war das, was im Inneren des Irrgartens auf sie lauerte. »Ich laufe immer weiter, tiefer hinein in das Labyrinth. Dort erwartet mich etwas, das noch viel schlimmer ist. Es fühlt sich an wie ein hungriges Raubtier. Alles an ihm ist dunkel und gefährlich.« Ein Schauer rann ihren Rücken herab, als sie sich an eine wilde Kreatur erinnerte, die vollkommen schwarz war – bis auf die Stelle an der sie das Herz des Biestes vermutete. Dort pulsierte ein blaues Leuchten, das inmitten all der Dunkelheit ein tröstlicher Hoffnungsschimmer für sie war, von dem sie kaum die Augen wenden konnte. Sie schluckte trocken und wagte nicht, Raynor anzusehen. »Der Traum endet an dieser Stelle.« Ihre Brust hob und senkte sich viel zu schnell.

Dann hob Sie den Kopf und sah Raynor an, der den Blick gesenkt hielt und seine Brille polierte.

»Das ist interessant, aber kein Hinderungsgrund für Ihre Teilnahme«, sagte er und mied ihren Blick. Jora hatte das drängende Gefühl, dass ihr etwas Wichtiges entging, aber sie wusste nicht, was an ihrem Traum so bedeutsam sein konnte. »Sie sind ab sofort offiziell Teil des Projekts Surrender.« Die Verbindung aus Erleichterung und Angst vor einer ungewissen Zukunft ließ sie schwindelig werden. Selbst wenn Jora jetzt sagte, dass sie sich anders entschied – was sie nicht tun würde –, dann hatte er das Recht, sie unter Einsatz von Gewalt auf das Schiff nach Cors bringen zu lassen. 

Ihr wurde kalt und sie merkte, wie ihr die Farbe aus dem Gesicht wich, als Raynor seinen letzten Satz sprach.

Ende der Leseprobe

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